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04.06.2019 - Die bulgarische "Stalbe"

Dienstag, 04 Juni 2019 geschrieben von

Von Thessaloniki aus machten wir uns auf den Weg in Richtung Norden nach Bulgarien. Neben den netten und aufgeschlossenen Menschen haben uns vor allem Melnik, die kleinste "Stadt" Bulgariens, und das Pirin-Gebirge überzeugt: Bulgarien ist landschaftlich gesehen wunderschön! Mit der Schwalbe sind wir über endlose Weinberge zu den Sandsteinpyramiden von Melnik gefahren und konnten am Horizont einen atemberaubenden Sonnenuntergang erleben. Die Preise für Essen und Unterkunft sind für Deutsche sehr gut, sodass sich eine low-budget-Reise nach Bulgarien absolut lohnt. Ein echter Geheimtipp!

Auf dem Weg nach Sofia, der Hauptstadt Bulgariens, interessierte uns natürlich wie immer, ob es hier auch irgendwo Simon-Mopeds zu finden gibt. Auf der Internet-Seite olx.bg wurden wir tatsächlich fündig und sahen viele Anzeigen von Privatanbietern, die ihre Simson zum Verkauf anboten. Eine stark verbastelte Schwalbe mit SR4-2- (Star) Lampenmaske und Pseudo-Fußrasten, die von mir passenderweise als „Stalbe“ bezeichnet wurde, hat es uns am meisten angetan. Schon auf den Bildern war zu erkennen, wie verbastelt dieses Fahrzeug sein musste. Kurzerhand verließen wir Sofia und machten uns auf den Weg ins Landesinnere in die Nähe von Plowdiw. In einem kleinen Dorf trafen wir einen alten Bulgaren, der seine rote „Stalbe“ verkaufen wollte. Sie ließ sich vor Ort nicht ankicken und einige Teile waren stark verrostet. Trotzdem haben wir sie nach längerer Verhandlung gekauft und zunächst hinten auf die Laderampe des Bullis verzurrt. Am nächsten Campingplatz angekommen habe ich mich sofort an die Arbeit gemacht. Einmal kurz den Vergaser reinigen und siehe da: Das Fahrzeug springt an und fährt sogar ein paar Meter. Mit der Gewissheit, dass der Motor funktioniert, habe ich anschließend das Fahrzeug Stück für Stück auseinandergenommen. Hier fasse ich für euch mal ein "best of bulgarische Bastelei" zusammen:

  •  die Lampenmaske stammte von einer SR4 und wurde lediglich mit Kabelbindern vorne befestigt
  •  als provisorischer Startvergaserhebel diente eine alte Fahrradschaltung, die an den Schwalbelenker geklemmt wurde
  •  ein "externer Kondensator" wurde am Rahmen provisorisch mit einer Klemmschelle montiert
  •  am Knieblech ist die rechte Aufnahme für das Trittbrett abgerostet. Daher wurden beide Trittbretter entfernt. Die Halterungen am Rahmen wurden zu Fußrasten umgestaltet, indem zwei Gummis über den Rahmen gezogen wurden.
  •  der Bowdenzug vom hinteren Bremshebel wurde durch einen Riss an der Motoraufhängung vom Rahmen geführt und gleichzeitig gegengehalten
  •  die Sitzbank war lediglich aufgelegt, weil das Scharnier bereits verrostet war

Ich könnte diese Liste hier ewig weiterführen. Trotzdem wurde mir beim Zerlegen eines besonders deutlich: Das Fahrzeug musste einfach nur fahren. Keine Wartung, keine Pflege, keine Neuteile.  Der Verkäufer versicherte uns, dass diese "Bastelbude" vor zwei Jahren noch täglich 20 Kilometer gefahren sei. Einige Einzelteile, die nicht mehr zu gebrauchen waren, haben wir vor Ort entsorgt. Den Rest der Schwalbe verstauten wir im Innenraum und in der Gepäckmulde auf dem Dach des Autos, sodass es anschließend weiter in Richtung Rumänien gehen konnte. Dort haben wir schon ein Treffen mit Jonathan (einem deutsch-rumänischen Simson Fan) vereinbart, der uns die Umgebung seiner Heimat Hermannstadt zeigen möchte. Wir sind sehr gespannt auf das, was uns dort erwarten wird :)